»Versuchen wir das Unmögliche«

Leycester Coltman: Der wahre Fidel Castro

Übersetzt aus dem Englischen von Jens Knipp.
Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf und Zürich 2005.
464 Seiten, 29,90 EUR
ISBN 3-538-07200-0

Ursula Voss: Die Revolution bin ich. Fidel Castro im Portrait

Der Audio Verlag, Berlin 2006.
1 CD, 64 min, 14,95 EUR
ISBN 3-89813-526-8

Hans Weiss: Märchen von Kuba. Insel zwischen Lüge und Wahrheit

Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2005.
168 Seiten, 14 EUR
ISBN 3-9809981-5-0

 

 

Mit den Zwischentönen ist es so eine Sache, leicht zu treffen sind sie selten, und wie sang der linke deutsche Liedermacher Franz-Josef Degenhardt einst: »Zwischentöne sind bloß Krampf im Klassenkampf«. Im Bezug auf Kuba scheinen für die vorherrschende westliche Meinung diese Töne auch gar nicht zu existieren. Einhellig verdammen die Medien und die Politik den »socialismo tropical« als Auswuchs der Machtgier Fidel Castros. Nach seiner schweren Erkrankung kurz vor seinem 80. Geburtstag schienen sich seine Gegner und ihre Freunde in Europa schon die Hände zu reiben und in Gedanken über neue Pfründe zu schwelgen. Sicher, aus Gold ist nur wenig auf der karibischen Insel, gibt es manche Merkwürdigkeiten unschöne Dinge und oft auch mangelnde Freiheit. Unbestreitbarer Verdienst der Revolution von 1959 ist jedoch, daß den Kubanern ihr Stolz und ihre Eigenständigkeit zurückgegeben wurde, die selbst durch die Abhängigkeit von der Sowjetunion in Zeiten des Kalten Krieges nicht gänzlich versiegen konnte. Dies und die Errungenschaften wie etwa das für lateinamerikanische Verhältnisse erstaunliche Bildungs- und Gesundheitssystem sowie die ungebrochene internationale Solidarität sind weitere Tatsachen, die Kuba zum Vorbild der neuen Linken Lateinamerikas - etwa Hugo Chavez und Evo Morales - machen. Nötig ist also der differenzierte Blick, und der ist leider sehr selten zu finden, auch und gerade auf dem Buchmarkt.

Drei Neuerscheinungen haben sich gerade dies auf die Fahnen geschrieben: das Feature »Die Revolution bin ich«, jüngst im Audio-Verlag erschienen, die Castro-Biographie des ehemaligen britischen Botschafters in Havanna, Leycester Coltman, und das Büchlein »Märchen von Kuba« von Hans Weiss bei Nomen.

Beachtliches geleistet hat Coltman in seiner Biographie, wohltuend sachlich und klug beschreibt er den Politiker Castro. »Die Geschichte der Revolution und meine Biographie sind ein und dasselbe«, so sagte Fidel einmal und Unrecht hat er damit nicht. Untrennbar ist sein Charisma und sein Durchhaltevermögen, seine Sturheit und seine Kompromisslosigkeit mit der Revolution verbunden. Coltman nähert sich dem Phänomen Castro ohne Scheu, aber auch ohne Furcht, legt den Finger in die Wunden des kubanischen Systems, verfällt aber nicht in Besserwisserei. Er gibt einen lesenwerten Überblick über die Geschichte der Revolution und ihre Entwicklung, ihre Mechanismen, Erfolge und Fehlentwicklungen. Kulminationspunkt seiner Darstellung bleibt aber immer Castro, den er aus seiner Zeit als Botschafter in den Jahren 1991 bis 1994 - einer für Kuba extrem schwierigen Periode - auch persönlich kennt. Persönliches über den »comandante« erfährt man kaum, was aber der Tatsache geschuldet ist, dass Castro sein Privatleben strengstens vor der Öffentlichkeit abschirmt. Bisweilen scheint sogar eine gewisse Sympathie Coltmans für Castro durch, auf jeden Fall ist er wohl näher am »wahren« Fidel als so manch anderer.

Einen etwas anderen, aber nicht minder gelungenen Weg wählt Ursula Voss in ihrem Feature »Die Revolution bin ich. Fidel Castro im Portrait«, eine Gemeinschaftsproduktion von NDR,MDR, Radio Bremen, RBB und des WDR. Freunde und Feinde des Revolutionärs kommen zu Wort, Menschen unterschiedlichster Couleur von Gabriel Garcia Márquez   über Oskar Lafontaine bis zu Olaf Henkel. Sachlich und überaus informativ sind die Texte, die das Ganze zusammenhalten, die Sprecher verstehen es mit Unterstützung diverser Originaltöne das Feature lebendig und kurzweilig zu gestalten. Sehr angenehm ist auch, daß sich Ursula Voss nicht an trockenen Fakten abarbeitet, sondern sich durchaus die Freiheit nimmt, einen gewissen Humor zuzulassen. Wer das nicht glaubt, der höre sich die grandiose Beschreibung an, mit der Castro sich zugleich vollkommen ernst und zugleich hintergründig ironisch aus dem Krankenhaus an sein Volk wandte, nachdem er auf der Straße gestürzt war: »Ich ging schnell über den Straßenbelag aus farbigem Granit, um mich auf den selben Stuhl zu setzen, der mir vor meiner Rede zugewiesen worden war...«

Gelungen ist nicht nur die CD, gelungen ist auch die Verpackung derselben, findet sich diese doch in einer schönen Holzkiste, zusammen mit einem zwar knappen, aber ansprechenden und reich bebilderten Booklet.

Weniger schön aufgemacht hingegen ist Hans Weiss' Buch »Märchen von Kuba«, dem ein wenig gestalterischer Feinschliff durchaus gut tun würde. Äußerlichkeiten sind zwar eher nebensächlich, aber leider gibt es auch im Inneren, sprich im Inhalt, ein paar Schwächen. Informativ und sachkundig ist das Buch ohne jeglichen Zweifel. Geschickt, zuweilen recht polemisch - was hier beileibe nicht negativ gemeint ist - stellt sich Weiss den Halbwahrheiten und glatten Lügen über Kuba und die Revolution, zeigt die wackligen Fundamente, auf denen diese oft fußen. Weiss bietet Gegenargumente und zahlreiche gute Beispiele, um die »Märchen von Kuba«, besser die »Märchen über Kuba«, ad absurdum zu führen. Und genau darin liegt das Problem des Buches: Inhalt ist alles, der Aufbau wird vernachlässigt. Unverbunden stehen die zahllosen Argumente und Behauptungen untereinander. Einige wenige Sätze, Absatz, eine Zeile, Absatz und so weiter. Zur Lesbarkeit und zur Lust am Lesen - die hier auch eine Lust am Argumentieren und an der Wahrheit ist - trägt das in keinster Weise bei. Die Kapitelüberschriften sind beim Sichten und Ordnen wenig hilfreich und fallen bisweilen einer gewissen Beliebigkeit anheim. Schade eigentlich, denn in seiner Intention und in der Fülle an Material hätte weitaus mehr gesteckt als das, was Weiss bzw. der Verlag dem Leser anbietet.

Es gibt sie also doch noch, die Zwischentöne, wenn man über die »Insel im Meer des Kapitalismus« berichtet und es wäre gut, wenn man diese öfters vernehmen würde.

André Schwarz

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